von Stefanie Kretschmer
Von einem Buch mit dem Titel „Klima“ erwartet man wahrscheinlich wissenschaftliche Daten und Argumente für den von Menschen gemachten Klimawandel und ein Statement, warum die Klimaleugner
irren.
Stattdessen erhält man im ersten Teil des Buches ein Plädoyer gegen den Kampf unterschiedlicher Meinungen zum Thema Klimawandel. Er fordert uns dazu auf, nicht Gegner und Feinde auszumachen, und
zwar weder im privaten Umfeld („Du fliegst immer noch?“, „Wieso bist du noch immer nicht vegan?“) noch im politischen Bereich.
Er führt uns vor Augen, dass niemand von uns sich perfekt klimaneutral verhält und wir in einer polarisierten Debatte auch uns selbst zum Bösewicht erklären müssten.
Sollen wir dann seines Erachtens nichts gegen den Klimawandel unternehmen?
Doch unbedingt! Die Fokussierung auf „Bösewichte“ verstelle die Sicht auf tiefere, systemische Gründe und wir als „die Guten“ würden dann auch falschen Lösungen folgen. Er stellt uns die Frage:
Wie fühlt es sich an, der Andere zu sein?“
Gerade in dieser Polarisierung erkennt er das Symptom, das Umweltzerstörung und Raubbau an der Natur überhaupt erst möglich gemacht hat. Er nennt es „Separation“ im Gegensatz zu „Interbeing“, was
eine existenzielle Vernetzung und Abhängigkeit aller Wesen und der Welt meint. „Mein ureigenes Sein hat Teil an ihrem Sein und dem Sein der Wale, der Elefanten, der Wälder und Meere. Was ihnen
geschieht, geschieht auf einer gewissen Ebene auch mir.“
Separation ermögliche es erst die Natur als Ding, als das von uns getrennte Andere zu betrachten und daher auch auszubeuten. In dieser grundsätzlichen Sichtweise auf die Natur erscheint Charles
Eisenstein auch die Fokussierung unseres Bewusstseins und der Debatte auf die CO² Belastung als viel zu eng gefasst. CO² sei nur ein Teilaspekt des ganzen Bildes der Zerstörung des
Planeten.
Den Ausweg aus der Separation sieht er in einer Bewegung, die sich „Regeneration“ nennt.
„In der neuen Beziehung (zur Welt) ...werden wir uns jedes Mal, wenn wir etwas von der Erde nehmen, bemühen, dies so zu tun, dass es sie bereichert. Wir sind uns durchaus unseres Einflusses
bewusst und wir trachten nicht danach, ihn zu minimieren. Denn die Auswirkungen unseres Handelns sollen schön sein und dem Leben dienen.“
Im weiteren Verlauf des Buches erfahren wir von einer Vielzahl bereits existierender und sehr erfolgreicher Projekte zur Heilung von Wasserkreisläufen, Böden und Ökosystemen sowie weitere
innovative Vorschläge.
Das Buch „Klima“ ermutigt, motiviert und zeigt neue Denkwege in der Klimadebatte auf. Ein sehr empfehlenswertes Buch.
Charles Eisenstein ist Jahrgang 1967, Philosophie- und Mathematikstudium in Yale, Übersetzer chinesisch/englisch, Autodidakt, Redner, Schriftsteller.
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