von Alexandra Eichenauer-Knoll
Yoga boomt bekanntlich und ist zu einer beinahe selbstverständlichen Übungspraxis einer konsumkräftigen und mehrheitlich weiblichen, westlichen Mittelschicht geworden. Das inspiriert die Mode-
und Sportindustrie genauso wie engagierte TouristikerInnen, aber auch ganz „normale“ Produkte wie z. B. Getränkeflaschen, Milchprodukte, Tees oder Seifen profitieren vom reinigenden, stärkenden
und optimistischen Image dieser jahrtausendealten Tradition. Findige DesignerInnen kreieren überdies immer neue Varianten an Yoga-Kleidung oder Yoga-Hilfsmitteln, auch inspiriert durch noch
coolere, noch ungewöhnlichere, noch effizientere Yogastile.
Hinterfragt man diese Entwicklung mit der Ethik des Yoga, die uns empfiehlt, einen gemäßigten Lebenswandel zu führen und sich meditativ nach innen zu vertiefen und so spirituell zu entwickeln,
ist dieser äußere Lifestyle-Schein, der jetzt noch über social media mit unzähligen Fotos weiter gehypt wird, in der Tat etwas fragwürdig.
Ich habe vor vielen Jahren, lange vor der Erfindung von Instagram und Facebook, schon über diese Problematik einen Lesebrief an die Wiener Wochenzeitung Falter geschrieben. Darin grantelte ich
über diese offensichtliche Diskrepanz. Der Falter veröffentlichte meinen Text und titelte dazu in seiner flappsigen Art: „Erleuchtung in Opas Pyjama“. Genau, nehmen wir es doch mit Humor! Und wer
will schon ernsthaft in Opas-Pyjama üben?
Auf einen Blick unsere Rolle verstehen
Jetzt bin ich aber doch wieder an dem Punkt angelangt, darüber nachzudenken. Jetzt, da ich mich für YfF engagiere. Im März 2022 gestalteten wir von YfF im Rahmen des damals neuen
BDYoga-Veranstaltungsformates „imPULSforum“ ein Online-Workshop zum Thema: „Klimaneutralität – was bedeutet das für Yogalehrende?“
Ich hatte dafür eine Grafik entwickelt, die auf einen Blick erkennbar machen sollte, wie sehr Yogalehrende auch Konsumentscheidungen beeinflussen können. Denn das ist die einfachste und
naheliegendste Möglichkeit, etwas Sinnvolles zum Thema Klimaerhitzung zu tun: in der Rolle, mit der wir in der Gesellschaft wahrgenommen und respektiert werden – als Yogalehrende, als
Yoga-Vortragende, als Yoga-InfluencerIn, als Yoga-BloggerIn oder Yoga-AutorIn.
Und es ist gar nicht wenig, was da bildhaft auf einem A4 Zettel Platz gefunden hat. Wir können Achtsamkeit bei der Wahl unserer Yoga-Kleidung und Hilfsmittel oder bei der Gestaltung und Beheizung
unserer Räume beweisen, sofern wir hier ein Mitspracherecht haben. Auch die Gestaltung von Werbemitteln oder das Abhalten von Onlinekurse ist nicht emissionsfrei. Hier gilt es, immer wieder
abzuwägen.
Wie man auf der Graphik sieht, spielt auch der Anfahrtsweg zum Yogakurs eine wesentliche Rolle. Kommen unsere TeilnehmerInnen mit dem Rad, öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Auto? Wenn
letzteres, ist die Bildung von Fahrgemeinschaften möglich? In einem meiner Kurse haben Teilnehmerinnen selbstständig eine Yogataxi-Gruppe mittels Whatsapp gegründet. Das war ihre Idee, gar nicht
meine, muss ich ehrlicherweise zugeben.
Die Münchner Yogalehrerin Nico Raabe, die auch im YfF-Team ist, hat das Label „Wir bleiben am Boden – Yogin*inis für Flugverzicht“ entwickelt. Nicht ohne Grund. Denn gerade das Wellness-,
Retreat- und Yoga-Ausbildungsbusiness arbeitet oftmals mit der Möglichkeit, rasch und billig schöne Destinationen weltweit zu erreichen.
Jetzt sind wir wieder bei der grundsätzlichen Frage: Wofür braucht es eigentlich auf einem Weg mach innen soviel klimazerstörerische Flugkilometer im Außenraum?
Ich bin jedenfalls für Freiwilligkeit in dieser Frage, weil Zwang auch keine moralische Entwicklung im Sinne des Yoga zulässt, sondern nur ein Reagieren auf äußere Gegebenheiten ist, die man
befolgen oder denen man sich widersetzen kann. Ich bin daher für „Yogin*inis für freiwilligen Flugverzicht“.
Fazit und Aufruf
Seien wir uns bewusst, dass wir als Yogalehrende Lifestyle mitgestalten und dass wir in dieser Rolle durchaus etwas bewirken können. Trauen wir uns, gegründet in den Yama-Prinzipien Aparigraha
(Nicht-horten oder teilen) und Ahimsa (Einsatz für unschädlichen Konsum), mit fröhlich-friedlicher Widerspenstigkeit gegen den konsumorientierten Mainstream zu schwimmen. Trauen wir uns, dass wir
uns für eine nachhaltige, enkeltaugliche Politik in unseren Gesprächen oder Vorträgen stark machen. Ob in Opas Pyjama oder doch etwas schicker gekleidet, ist dann unwesentlich!